Der Glaube spielt im Leben von Pfarrer Bernhard Braun eine große Rolle. Der Glaube an Gott und der Glaube an andere. 2009 glaubte er an die Idee von zehn Jugendlichen aus der Deidesheimer Pfarrjugend, die auf den Ländereien der Kirchengemeinde ihren eigenen Wein anbauen wollten. Die Geschichte eines fruchtigen Rieslings, der nach Mut, Vertrauen und Freundschaft schmeckt.

Pfarrer Bernhard Braun stellt vier Weinflaschen auf den Holztisch in seiner Wohnung im Deidesheimer Pfarrhaus. „Das war der vorerst letzte Jahrgang“, sagt Braun und deutet auf das verblichene Etikett. Denn der Weinbau hat in seiner katholischen Kirchengemeinde St. Ulrich Tradition. Viele Jahre stellte das Pfarrgut auf rund 5 Hektar seinen eigenen Wein her, doch 1959 war damit Schluss: Das Keltern, Schwefeln, die Gärung, Reifung, Lagerung und das Abfüllen wanderten in die Hände von Pächtern. Und die Erinnerung an die Tradition des Pfarrguts verblasste, geriet fast in Vergessenheit. Bis 2009. „Das war eine ganz besondere Zeit“, erinnert sich Braun. „Bei den Jungwinzern stand ein Generationenwechsel an. Wir hatten bei den Messdienern, in der Pfarrjugend, viele junge Leute mit Know-how, Jugendliche aus Winzerfamilien, die wollten sich ausprobieren, wollten mehr als nur die Mitarbeit auf dem Feld.“ 

Der Weinbau hat in der Kirchengemeinde von Bernhard Braun Tradition.

Als die alten Pachtverträge ausliefen, nahm das Pfarrgut seine Arbeit wieder auf – unter der Federführung von Jungwinzern zwischen 15 und 19 Jahren. Sie bewirtschafteten drei Morgen Land, darunter einen Weinberg auf dem Hahnenböhl, der zur renommierten Deidesheimer Weinlage „Herrgottsacker“ gehört, sowie zwei Parzellen im Ruppertsberger Reiterpfad. Sie produzierten die ersten hundert Liter ihres eigenen Weins. Ausschließlich Riesling, zunächst nur für den Eigenbedarf.

Der “ Herrgottsacker“ in Deidesheim bietet beste Bedinungen für den Riesling.

„So hat alles angefangen“, sagt der Pfarrer lächelnd und betrachtet das Etikett der zweiten Flasche. Ein weißes Kreuz auf blauem Hintergrund: Deisemer Woi(h)wasser. Daneben liegt ein Fotokalender. Das Pfarrgut-Team bei der Lese, inmitten von Reben, im Pfarrhof. Das Foto eines Schilds: „Wenn‘ s der Seele guttut, kann’s der Leber nicht schaden.“ Menschen, die ausgelassen lachen.

Braun rückt die beiden verbliebenen Flaschen auf seinem Esszimmertisch ein kleines Stück nach vorn. 2010 wanderten die ersten Flaschen des wiederbelebten Pfarrguts in den Verkauf, sein Emblem gewann an Kontur, die Etiketten zierte der Heilige Ulrich mit seinem Attribut, dem Fisch. Bis heute ist es – wenn auch nur noch schemenhaft – auf den Flaschen zu sehen. Die Rieslinge, die das Pfarrgut im Sortiment hat, tragen die Namen „Proprium“, „Gaudium“ und „Officium“ – in Anlehnung an die Kirchenliturgie. Die Elemente des „Propriums“ geben jedem Sonn- und Festtag im Kirchenjahr sein besonderes Thema. Das „Officium“ bezeichnet im Kirchenvokabular das Stundengebet der Ordensleute.

Die Idee, der Wein, das war alles neu und spannend

Bernhard Braun

2011 wurde die Deidesheimer Spitzengastronomie auf den neuen Riesling aufmerksam – die Sommelières des „Ketschauer Hofs“ und der „Kanne“. „Die Idee, der Wein, das war alles neu und spannend“, sagt Braun. Stolz seien sie darauf gewesen, sicher. Aber großflächig zu verkaufen, das sei nie das Ziel gewesen. „Das wollen und dürfen wir gar nicht“, sagt Braun. „Alles, was wir einnehmen, wird reinvestiert oder gespendet.“ 3000 Euro an Verkaufserlösen flossen in den vergangenen Monaten nach Indien, um dort von der Corona-Krise gebeutelte Menschen zu unterstützen. „Das hat alles unser indischer Kaplan organisiert. Durch die Kontakte zu seinen Ordensleuten wussten wir, wofür das Geld verwendet wird – und dass es ankommt.“

Der Kalender liegt aufgeschlagen in Brauns Händen. Sein Blick ruht auf dem Foto seines Hofs, auf den Menschen, die in einer Traube zusammenstehen. Braun lächelt. Einmal im Jahr feiern der Geistliche und „seine“ Winzer sich selbst. Für das, was sie aus dem Pfarrgut gemacht haben. Und was es mit ihnen gemacht hat. Mit einem inzwischen legendären Hoffest, immer am Samstag nach Christi Himmelfahrt. Dann kommen sie alle wieder, der harte Kern der Jungwinzer, die das Pfarrgut wiederbelebt haben. Inzwischen hat es die jungen Erwachsenen in alle Richtungen verstreut. „Einige habe ihren eigenen Betrieb, manche sind zum Studieren weggezogen. Trotzdem sind sie alle irgendwie noch dabei“, sagt Braun. Behutsam legt er den Kalender wieder auf den Tisch und macht sich auf den Weg nach draußen.

Auf dem Hof von Christian Krack lagert auch das Holzfass des Pfarrguts.

Neben der Garage führt ein schweres, knarzendes Holztor in den jahrhundertealten Gewölbekeller des Pfarrhauses hinab. Anfang der 2010er-Jahre arbeitete seine Mannschaft hier, behandelte ihre Weine. In dem alten Gemäuer ploppten die Edelstahltanks während der Gärung. Inzwischen lagern sie im Keller eines befreundeten Weinguts. „Außerdem haben zwei unserer Leute mittlerweile ihren eigenen Betrieb. Sie übernehmen ein Teil der Weinproduktion für das Pfarrgut mit“, sagt Braun. Und: der Sektproduktion. Denn zum 60. Geburtstag kredenzten die Jungwinzer dem Geistlichen einen Sekt, den „Eminentium“, der seitdem zum Sortiment des Pfarrguts gehört.

Versektet wird er von Christian Krack oder vom „Kräcker“, wie Braun ihn mit einem Augenzwinkern nennt. Er war vor zwölf Jahren bei der Wiedergeburt des Pfarrguts dabei. Heute führt er das familieneigene Sektgut und schaut weiterhin nach dem Wein der Pfarrgemeinde St. Ulrich. Auf seinem Hof lagert unter anderem das Holzfass des Pfarrguts. Er streicht mit den Fingern über das massive Holz. „Wein ist ein Naturprodukt, Holz auch. Zu beobachten, wie beides reift und zusammenspielt, ist etwas sehr Spannendes“, sagt Krack. Und etwas, das ihm viel bedeutet.

Pfarrer Bernhard Braun im Gespräch mit Christian Krack.

„Das Pfarrgut, das ist eine gute Sache, die wir da auf die Beine gestellt haben.“ Die Weine. Und ihre Gemeinschaft. „Die Kombi: Deidesheim, unser Pfarrer, wir – das gibt es so nur einmal.“ Bernhard Braun nickt. Seit seiner Ankunft in Deidesheim 2006 hat er viel bewegt. Den Sonntagsgottesdienst in St. Ulrich besuchen doppelt so viele Menschen wie im Rest der Diözese. Viele Passanten finden den Weg in „seine“ Kirche, an deren Wänden an einer Kordel Postkarten zum Mitnehmen hängen. Und in deren hinterem Teil zwei mintgrüne Sessel neben einer Lesekiste stehen.

Bernhard Braun hat seit seiner Ankunft in Deidesheim 2006 viel bewegt.

An einer Kirchenbank lehnt ein blaues Schild. Die Aufschrift: „Hock dich dezu.“ Wann immer er Zeit dazu findet, setzt sich Bernhard Braun mit dem Schild auf eine Bank auf dem Marktplatz. Jeder, der sich unterhalten möchte, ist eingeladen, neben ihm Platz zu nehmen. Um über die Kirche zu sprechen, über das eigene Leben oder Dinge, die ihn bewegen. Oder einfach in Stille neben ihm zu sitzen.

Heimat.

Einen Kilometer von der Pfarrkirche entfernt erheben sich die Reben des Pfarrguts. Wilde Kräuter ranken zwischen den Weinstöcken empor. „Bissl zugewachsen. Da müssen die Buwe noch was schaffe“, sagt Bernhard Braun und lacht. Sein Blick wandert über den Wingert und die Dächer Deidesheims, den Kirchturm. Glockengeläut durchbricht die Stille, hallt den Hang empor. Der Klang wabert um Braun, der nie an einen Wechsel in eine andere Gemeinde gedacht hat. Hier gehört er hin, darauf vertraut er. Daran glaubt er.


Die Weine des Pfarrguts sind im Pfarrbüro erhältlich: Pfarrei Hl. Michael, Pfarrgasse 3, 67146 Deidesheim / E-Mail: pfarrbuero@pfarrei-deidesheim.de / Telefon: 06326 / 345 

Weitere Infos unter www.pfarrgut-deidesheim.de

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