An der badischen Grenze zu Bayern verläuft der „Smart Pfad“ – ein 15 Kilometer langer Weg, der sich um 45 Exponate schlängelt, die erklären, wie unsere Welt funktioniert. Sorgsam ausgewählt von Menschen, die ihre Heimat lieben. Ein Besuch im Mudauer Odenwald.

Christoph Müller hat schon immer in Mudau gelebt. In der 5.000-Einwohner-Gemeinde, die zwischen Eberbach und Buchen liegt. Wie seine Großeltern und seine Eltern. Er ist tief verwurzelt in seinem Heimatort. Hier hat er als Kind unter alten Eichen gespielt, im satten Grün der Wiesen. Hier fliegen die Fledermäuse zischend über seinen Kopf, wenn er abends in seinem Garten sitzt. Hier kennt man sich, in den neun dünn besiedelten Ortsteilen der Gemeinde. Und man hilft einander. „Unser Dorfleben und unser reges Vereinsleben sind unsere Markenzeichen“, sagt Müller, der sich im Mudauer Rathaus um den Geotourismus kümmert. Darum, anderen Menschen die Schönheit seiner Heimatregion nahe zu bringen, ihr Wesen und ihre Naturgesetze.

Christoph Müller macht es vor: Spielerisch Lernen und gleichzeitig die Natur genießen.

Dazu hat die Joachim & Susanne Schulz Stiftung gemeinsam mit der Gemeinde Mudau sowie den Orten Kirchzell und Amorbach den „Smart Pfad“ entwickelt. Er verläuft 15 Kilometer entlang des Main-Neckar-Radweges. Sechs Stationen mit unterschiedlichen Themen warten hier mit Aufgaben, Experimenten, Wissenstafeln und besonderen Spielgeräten auf. „Es geht darum, spielerisch zu lernen und sich gleichzeitig zu bewegen. Und: zur Ruhe zu kommen, das eigene Leben zu entschleunigen“, sagt Müller. 

Der Mudauer fährt mit beiden Händen über drei verschiedenfarbige Quader, die über rote Metallfedern fest im Boden verankert sind. Sie gehören zum Temperaturparcours am „Unter dem Brunnen“, einer von drei Stationen rund um Mudau. Der erste Block besteht aus Beton, der zweite aus Gummi, der dritte aus Lärchenholz. Der Betonklotz fühlt sich kühl an, das Gummi heiß, die Lärche angenehm warm. „Alle drei sind gleichermaßen dem Sonnenlicht ausgesetzt und doch speichern sie die Wärme ganz unterschiedlich.“ Schon ist man mittendrin – in der Welt naturwissenschaftlicher Phänomene, die bestimmen, wie wir leben. Etwa über die Temperatur, die uns umgibt und die wir mit einfachen Mitteln beeinflussen können.

Hinter einem Barfußpfad befindet sich eine „indische Klimaanlage“. Sie besteht aus leeren Flaschen, die in einer Platte stecken, an einer Seite aufgeschnitten sind. Weht Wind in die Flaschen hinein, wird er an heißen Tagen angenehm: Kühlere Luft tritt auf der anderen Seite der Platte heraus. Menschen, die in Indien oder Bangladesch bei 45 Grad Außentemperatur zusammen gepfercht in Wellblechhütten leben, kann diese Konstruktion mitunter das Leben retten. „Wir haben uns hier die Frage gestellt: Was macht die Welt, um Klimafragen zu lösen? Welche nachhaltigen Möglichkeiten gibt es?“, sagt Müller. Sein Blick wandert in die Ferne, zu den Baumwipfeln des Odenwalds. „Viele Lösungen für Probleme liegen in der Natur selbst.“

„Ich könnte platzen vor Stolz, dass wir so etwas hier haben.“

Christoph Müller

Die nächste Station, am „Unter dem Brunnen“, ist gleichsam eine Hommage an den Stifter des Naturphänomene-Weges, der 1,2 Millionen Euro gekostet hat. Drei Jahre lang dauerte seine Umsetzung von der Idee bis zur Einweihung. Joachim Schulz zog 1965 mit seinem Klimatechnik-Unternehmen „Aurora“ nach Mudau, das heute der größte Arbeitgeber vor Ort ist. 300 Menschen kümmern sich hier um die Herstellung von Heiz-Klima-Systemen. 1990 übernahm die INDUS Holding AG die Geschäfte von Schulz, der sich in den Ruhestand verabschiedete. Nach seinem Tod gründete seine Ehefrau Susanne Everth-Schulz die Joachim & Susanne Schulz Stiftung mit Sitz im bayerischen Amorbach, wo das Paar wohnte. Ihr Hauptanliegen: die Förderung von Bildungsangeboten in der Region um Mudau und Amorbach.

Christoph Müller wohnt nur einen Kilometer von dem Platz „Unter dem Brunnen“ entfernt. Häufig kommt er abends für eine Stunde mit seinem jüngsten Sohn Jonathan hierher. „Ich könnte platzen vor Stolz, dass wir so etwas hier haben. Ich bin aber auch sehr, sehr dankbar, dass es Leute gibt, die in unseren Ort investieren“, sagt er und streicht mit der Hand über das Holz der „asymmetrischen Wippe“. Mithilfe eines Hebels kann das Gewicht der Wippenden angeglichen werden. So können Eltern und Kinder gemeinsam wippen und das Gleichgewicht halten, ganz egal wie leicht oder schwer der Einzelne ist. Erklärungen dazu gibt’s auf einer blauen Info-Tafel. Und eine Einordnung zur eigenen „Gewichtsklasse“: Ein Luchs wiegt etwa 25 Kilogramm, ein Wolf 50, ein Hirschkalb 55. „Mich gibt es darauf nicht. Oder man nimmt das Hirschkalb mal zwei“, sagt Müller und lacht.

Schaukeln und Wippen für die Wissenschaft.

Wie Christoph und Jonathan Müller besuchen viele Mudauer die Stationen auch einzeln. Gleichermaßen zieht der „Smart Pfad“, der 2019 eröffnet wurde, viele Wochenend- und Tagesausflügler an. „Wie viele Besucher wir hier haben, lässt sich schwer messen. Aber über die Zahl der Anfragen, die uns erreichen, bekommen wir ein gutes Bild“, sagt er. Immer mehr Menschen kämen von immer weiter her nach Mudau. 

Der Erlebnis-Pfad ist durchgängig beschildert. Präzise Beschreibungen finden sich auf der Homepage zum „Smart Pfad“, wo Besucher sich zusätzlich auch den GPX-Track herunterladen können. Er kann mit dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt werden. Wer in Mudau startet, rollt die 15 Kilometer fast durchweg bergab in Richtung des bayerischen Amorbachs – mit Ausnahme der Abzweigung zur Burg Wildenberg. An Wochenenden und Feiertagen transportiert der Odenwälder Rad- und Wanderbus NeO die „Smart-Pfad“-Besucher wieder zurück an ihren Ausgangspunkt. Er pendelt von Anfang April bis Ende September– ausgestattet mit einem Fahrradanhänger – im Zwei-Stunden-Takt zwischen Mudau und Amorbach.

In 800 Metern Entfernung, an der Mudauer Station „Rehm“, thronen Waldtiere auf hölzernen Pfosten. Hier geht es um sie: die Bewohner der Wiesen und des Waldes. Unter den Pfosten befinden sich Tafeln, auf die die kleinen Besucher „Expeditionshefte“ legen und die Waldtiere „abpausen“ können. Das Expeditionsheft, das außerdem Erklärungen, Rätsel und Anregungen enthält, können sich die Radler und Wanderer im Mudauer Rathaus abholen und in den umliegenden Touristikbüros abholen oder per Mail (an info@smart-pfad) direkt bei der Joachim & Susanne Schulz Stiftung anfordern.

Ein Dachsbau aus Beton – zum Reinkriechen.

Aus Beton haben die „Smart Pfad“-Macher einen Dachsbau nachgestellt. „Mein Sohn hat mich einmal dazu gebracht, selbst hinein zu kriechen. Das war was“, sagt Müller schmunzelnd. Im Innern kauert eine Hasen-Figur. „Der Dachs teilt sein Zuhause nämlich auch schon einmal mit anderen Tieren“, erklärt Müller. Ein Radfahrer strampelt am Hochsitz der Station vorbei, aus dem ein Fernrohr ragt. Müller hebt die Hand. „Grüß dich, Simon.“ – „Grüß dich, Christoph.“

Nicht nur für Kinder: Christoph Müller am Wasserspielplatz.

Der Radweg schlängelt sich weiter am Mühlendorf Ünglert vorbei. Wasser plätschert. Fachwerkhäuser säumen den Weg. Eichen wiegen sanft im Wind. Der Wald mit seinen Sandsteinhängen wird dichter. Christoph Müller stoppt an der „Hirtenquelle“, der letzten Mudauer Station, bevor der „Smart Pfad“ sich ins Bayerische schlängelt. „Die Hirtenquelle hat bis 1982 die Hälfte der Gemeinde mit Wasser versorgt, dann genügte sie den strengen Kriterien der Trinkwasserverordnung nicht mehr“, weiß Müller und beginnt, Wasser in die Spielanlage zu pumpen, die zwei Wasserräder, eine archimedische Schraube und ein Matschbecken umfasst. Erinnerungen steigen in ihm auf. An die Geräusche des alten Pumphäuschens, die in seiner Kindheit durch den Wald hallten, geschaffen von „Pionieren der Hydraulik“. Eine Familie stellt ihre Räder vor der Station ab. Zwei Jungen rennen auf die Anlage zu, beginnen zu pumpen. Und lachen.


www.smart-pfad.de

www.tg-odenwald.de/neobus

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